Macht die Büros zu!

Ein einfacher und leicht verständlicher Aufruf macht die Runde, der ArbeitgeberInnen dazu auffordert, überall Homeoffice umzusetzen, wo es machbar ist. Und diese Forderung hat einen ganz realen Hintergrund. Waren im ersten Lockdown im Frühjahr 2020 innerhalb kürzester Zeit sehr viele Menschen komplett im Homeoffice am arbeiten, reduzierte sich diese Zahl beim Blick au den zweiten Lockdown ab Ende 2020 wieder deutlich.
Die Grafik zeigt, dass die Nutzung von Homeoffice von 27% im April 2020 auf nur noch 14% im November 2020 gesunken ist. Vor Corona betrug der Anteil der gänzlich im Homeoffice Arbeitenden 4%.
Quelle: Hans-Böckler-Stiftung, 2020.
Politisch das Ziel auszugeben, mobiles Arbeiten wieder deutlich stärker auszubauen ist schnell ausgegeben. Aber wie realistisch ist das? Da wäre erst einmal die Frage zu klären, wie viele Arbeitsplätze sind überhaupt für Homeoffice geeignet? Rein von der Aufgabenstellung her, könnten dies bis zu 80% aller Arbeitsplätze in Deutschland sein. Das zumindest hat Statista in einer Studie herausgefunden. Ganz von der Hand zu weise ist diese überraschend hohe Zahl nicht. So hat auch das IFO-Institut herausgefunden, dass 60% der Arbeitszeit der Belegschaften deutscher Unternehmen zumindest zeitweise im Homeoffice arbeiten würden.

Homeoffice in Verwaltung – ein Überblick

Und wie ist der Stand in Kommunalverwaltungen? Kurz: Nicht so gut. Auch heute noch schließen 50% der Verwaltungen für ihre komplette Belegschaft Homeoffice kategorisch aus, weitere 20% ganz überwiegen. Zu dem Ergebnis kommen zumindest der DStGB und der BITKOM in einer im Dezember 2020 veröffentlichten Studie.
Die Grafik zeigt, dass 50% der Verwaltungen gar kein Homeoffice ihren Bediensteten anbieten.
Quelle: Deutsche Städte- und Gemeindebund, 2020
Während Unternehmen gerade im Fokus stehen und einem immer stärker werdenden Druck ausgesetzt sind, deutlich mehr Homeoffice zu ermöglichen, scheint im Öffentlichen Sektor noch eine ganze Menge Potential brach zu liegen. Aber woran liegt das?

Gründe für weniger Homeoffice in Verwaltungen

Gegen Homeoffice spricht aus Sicht der Verwaltungen vor allem eine nicht ausreichende IT-Ausstattung. Aber auch fehlende Finanzmittel für notwendige Investitionen (24 Prozent) oder die Befürchtung vor schlechteren Arbeitsabläufen und -ergebnissen (21 Prozent) werden immer wieder vorgebracht. Bedenken bei Datenschutz und Datensicherheit (21 Prozent) sowie Mangel an technischem Know-how (20 Prozent) scheinen ebenfalls noch immer ein Problem zu sein. Eine Umfrage des Deutschen Gewerkschaftsbund zeigt auch eine andere Perspektive: 22% der Beschäftigten des Öffentlichen Dienstes arbeiten im Homeoffice. Weitere 30% würden gerne, dürfen oder können allerdings nicht. Hier wird oftmals bemängelt, dass von den Vorgesetzen „gar keine oder sehr wenig Unterstützung“ kommt, um von zu Hause arbeiten zu können. Ganze 48% der MitarbeiterInnen aus dem Öffentlichen Dienst geben aber auch an, dass sie nicht im Homeoffice arbeiten möchten. Es gibt also gleich eine Reihe von Problemen, mit denen Verwaltungen umgehen müssen. Aber konnten nicht vielen dieser Probleme schon gelöst werden? Warum klappt Homeoffice in Kommunalverwaltungen nicht flächendeckend?

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Voraussetzungen für Homeoffice

Klar ist, dass die in der Vergangenheit langsame Digitalisierung von Verwaltungsprozessen nicht dazu beiträgt, dass von heute auf morgen eine Belegschaft komplett ins Homeoffice wechseln kann. Auch sind in viele Tätigkeiten, gerade in Kommunalverwaltungen, auch bei gutem Willen nicht Homeoffice-fähig. Aber um diese Tätigkeiten soll es hier nicht gehen. Sondern um diejenigen Tätigkeiten, die keine Anwesenheit im Amt erfordern. Und für diese gibt es Wege, wie sowohl kurzfristig und vorübergehend, aber auch dauerhaft flexibel mobiles Arbeiten Einzug halten kann.

IT-Ausstattung

Bei Homeoffice geht es nicht nur um Technik. Aber natürlich legt die IT die Grundlage für dezentrales Arbeiten. Dazu gehört die Ausstattung mit flexiblen Endgeräten, also vor allem Laptops. Wenn von zu Hause ausgearbeitet wird, steigt auch der Datenverkehr, was unter Umständen einen Ausbau des Internetanschlusses am Rathaus oder dem Amt voraussetzt. Ganze 40% der Kommunen geben an, dass es bei der technischen Ausstattung Mängel gibt, die sie noch nicht behoben haben. 

Aber wie lösen?

BYOD!

Die Beschaffung von Laptops ist weiterhin schwierig, da mit den öffentlichen Rahmenverträgen aktuell meist lange Wartezeiten verbunden sind. Einen Grundstock an Geräten braucht dennoch jede Verwaltung, an einer Beschaffung kommt man auch langfristig nicht vorbei. 

Kurzfristig kann es helfen, den MitarbeiterInnen anzubieten, eigene Geräte für die Arbeit von zu Hause zu nutzen. Viele Verwaltungen greifen bereits darauf zurück und schaffen die Grundlage für eine Bring Your Own Device-Regelung (BYOD). Dazu gehören sichere VPN-Zugänge zu dem eigenen System, am einfachsten über ein Browserbasiertes Tool. Diese Option ermöglicht es, verschiedenste Geräte mit unterschiedlichen Ausstattungen zu verwenden. VPN-Zugänge lassen sich fast beliebig ausweiten. Verschiedene Anbieter ermöglichen es, auf die vertraute Geräteumgebung des Arbeitsplatzes zuzugreifen, was eine Umstellung für die Beschäftigten so gering wie möglich macht. 

Wichtig sind hier auch Dienstvereinbarungen zwischen Behördenleitung und der Belegschaft, um die Regeln und Grenzen der Nutzung privater Geräte festzulegen. 

Internetzugang ausbauen

In fast allen Fällen ist es für Verwaltungen schnell möglich, die Kapazitäten des Internetanschlusses zu erweitern. Teilweise sind einfache Vertragsanpassungen ausreichend, manchmal müssen weitere Kabel verlegt werden. Hier kann nur der Anbieter individuell beraten. Aber selbst eine zusätzliche Verkabelung muss kein wochenlanges Projekt darstellen.

Aber auch das schnellste Internet verhindert nicht, dass papiergebundene Akten zur Bearbeitung abgeholt oder zurückgebracht werden müssen. Hier lohnt es sich, einen Prozess zu etablieren, der einerseits dafür sorgt, dass solche Termine schnell von statten gehen und andererseits nicht alle Beschäftigten zur gleichen Zeit im Rathaus erscheinen. Denn weiterhin gilt, dass größere Ansammlungen vermieden werden sollen. 

Führung und Vertrauen

Dass 48% der Beschäftigten im Öffentlichen Dienst kein Homeoffice in Anspruch nehmen möchten, ist im Vergleich zur Privatwirtschaft ein bemerkenswert hoher Anteil. Funktionierendes Homeoffice und der unkomplizierte Zugriff auf die gewohnte Arbeitsplatzumgebung fördert in der Belegschaft aber die Offenheit für die behördliche Digitalisierung. Das ist ein Ergebnis einer Umfrage, die wir gemeinsam mit der Entwicklungsagentur Rheinland-Pfalz und dem Gutenberg Digital Hub durchgeführt haben. 

Damit die Beschäftigten aber überhaupt dahin kommen, muss die Führung den MitarbeiterInnen in der Verwaltung Offenheit und Vertrauen entgegenbringen. Den auch heute gibt es eine weit verbreitete Einstellung auf allen Hierarchieebenen, dass echte Arbeit nur im Büro erbracht wird. Und Homeoffice nichts anderes als bezahlte Freizeit darstellt. MitarbeiterInnen, die dieses Gefühl entgegen gebracht bekommen, werden auch zukünftig nur im absoluten Notfall auf Homeoffice zurückgreifen. Denn sie wissen, dass die Führung nicht dahintersteht. 

Regeln für Homeoffice aufstellen

Die Technik ist beherrschbar, aber Homeoffice ist weitaus mehr als das. Die wichtigsten 9 Regeln für Verwaltungen habe ich hier zusammengefasst. 

  1. Sicherheit mit dienstlichen Geräten gewährleisten:
    Von der eigenen IT aufgesetzte Geräte erfüllen in der Regel einen höheren Sicherheitsstandard als private EDV-Geräte. Daher sollten MitarbeiterInnen möglichst mit entsprechenden Laptops ausgestattet werden. Auch zu Hause müssen Geräte über ein Passwort oder biometrische Daten vor dem Zugriff Dritter gesichert werden. Daten müssen regelmäßig gesichert werden, bestenfalls auf der Festplatte und einem zusätzlichen, redundanten System.
  2. Zugang zu dienstlichen Daten am besten über eine VPN-Verbindung
    Ein virtuelles privates Netzwerk kann schnell für den eigenen Server eingerichtet werden und anschließend über entsprechende Software von einem beliebigen Ort genutzt werden. Auf diesem Weg können MitarbeiterInnen schnell auf ihre notwendigen Daten und Dateien zugreifen.
  3. Nutzung verfügbarer und DSGVO-konformer Videokonferenz-Tools
    Meetings und Besprechungen können oftmals nicht durch kollaboratives Arbeit ersetzt werden. Daher braucht es Alternativen zum gemeinsamen Austausch. Oft reichen bereits Telefonkonferenzen, die über die eigene Telefonanlage oder einen privaten Anbieter schnell und unkompliziert abgewickelt werden können. Für umfangreichere Besprechungen sind Videokonferenzen besser geeignet, wobei hier natürlich eine entsprechende Ausstattung Voraussetzung ist. Solche Tools können ebenfalls kurzfristig eingesetzt werden. Unumstritten DSGVO-konform sind selbst gehostete Lösungen auf Basis von JITSI oder Big Blue Button. Sollen Videokonferenzen dauerhaft genutzt werden, ist eine solche Lösung empfehlenswert und mit geringem Aufwand umsetzbar. Vorübergehend nutzen viele Verwaltungen auch heute die bekannten, kommerziellen Anbieter wie Microsoft Teams oder Zoom. 
  4. Regeln für Telefon- und Videokonferenzen
    Gruppe mit mehr als drei Personen sollten eine Moderation oder Leitung bestimmen. Dabei sollten alle TeilnehmerInnen auf einen ruhigen Hintergrund achten, da Geräusche immer wahrgenommen werden und entsprechend stören. Vereinbaren Sie klare Ziele für eine Konferenz mit einer vorab vereinbarten Tagesordnung. Es fällt in der virtuellen Zusammenarbeit schwerer, spontane Veränderungen in den Ablauf einzubauen. Bilaterale Kommunikation über Messenger sollte unterbleiben.
  5. Führung
    Führungsverantwortung ist bei Homeoffice wichtiger für den Erfolg der Zusammenarbeit als sie es in einer Büroumgebung ist. Klare Zielvorgaben, Prioritätensetzung, Erwartungen müssen klar sein und bei Verzögerungen immer wieder geäußert werden können. Nur durch klare Führung können Missverständnisse klein gehalten werden. Vor allem ist wichtig, Vertrauen in die eigenen MitarbeiterInnen auszustrahlen und jede und jeden seinen Weg finden zu lassen, wie er oder sie mit den neuen Gegebenheiten am besten klar kommt.
  6. Erreichbarkeit sicherstellen und zuverlässig auf Anfragen reagieren
    Homeoffice wird vielerorts als bezahlte Freizeit angesehen. Um diesem Vorurteil zu begegnen und keine Unstimmigkeiten in der Belegschaft zu erzeugen, sollten feste Zeiten und Formen der Erreichbarkeit für Alle verbindlich sein. So einfach eine direkt Kontaktaufnahme im Büro ist, so einfach und nachvollziehbar sollte es auch online sein. Dazu gehört immer, dass der dienstliche Telefonanschluss auf die neue Umgebung umgeleitet wird.
  7. Reaktionszeiten auf Mails oder anders erreichte Nachrichten vorab klären
    Verbindlichkeit und schnelle Prozesse sollten sich auch bei der Erwartung auf eine Reaktion widerspiegeln. Mails die innerhalb der festgelegten Erreichbarkeitszeiten geschrieben werden, sollten innerhalb einer angemessenen Frist beantwortet werden. Auf Mailboxnachrichten sollte ebenfalls verlässlich reagiert werden.
  8. Pünktlichkeit bei Telefon- oder Videokonferenzen
    Small-Talk in Telefon- oder Videokonferenzen ist sehr viel schwieriger als es bei Präsenzsitzungen der Fall ist. Das heißt, es lässt sich nicht so einfach Wartezeit auf einzelne TeilnehmerInnen überbrücken, sondern es wird schnell unangenehm. Um so wichtiger ist Verlässlichkeit.
  9. Einfache und neutrale Sprache in schriftlicher Kommunikation
    Ironie und Sarkasmus gehören für vielen Menschen zum gepflegten Umgangsformen. Sie haben aber nichts in der schriftlichen Kommunikation zu suchen, in welcher dies nicht auf den ersten Blick erkenntlich scheint. Professionelle, einfache und neutrale Sprache hilft beim Verständnis und einer reibungslosen Kommunikation