Tangerhütte vor allen anderen: So haben wir das OZG umgesetzt - Mein Interview mit Andreas Brohm

Wir befinden uns im Jahr 2023 nach Christus. Ganz Deutschland hat die Umsetzung des Onlinezugangsgesetz verschlafen. Ganz Deutschland? Nein! Ein von unbeugsamen Kommunalverwalterinnen und Verwaltern geführtes Rathaus zwischen Magdeburg und Stendal bietet alle OZG-Leistungen in ihrem Digitalen Rathaus an und hören nicht auf, den Medienbrüchen in ihren Prozessen Widerstand zu leisten. Und das Leben ist nicht leicht für Faxgeräte, Drucker und Frankiermaschinen, die als Besatzung in den umliegenden Rathäusern liegen.
Ob es sich in Tangerhütte wirklich so anfühlt wie in dem kleinen gallischen Dorf, oder ob hinter der Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes in Tangerhütte einfach nur eine harte und zielgerichtete Arbeit steckt, das möchte ich von Andreas Brohm wissen.
Er ist Bürgermeister der Kleinstadt Tangerhütte in Sachsen-Anhalt und der Treiber hinter dieser kleinen Erfolgsgeschichte einer digitalen Kommunalverwaltung. Darum freue ich mich, dass er in dieser Folge mein Gast ist.

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Transkript

[Felix Schmitt] 
Kommunale Digitalisierung, der Podcast mit Felix Schmitt. Herzlich willkommen zu Folge 36 meines Podcast zur kommunalen Digitalisierung. Mein Name ist Felix Schmitt, ich bin dein Moderator und Begleiter auf dem Weg in die kommunale Digitalisierung. Wir befinden uns im Jahr 2023 nach Christus. Ganz Deutschland hat die Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes verschlafen. Ganz Deutschland? Nein. Ein von unbeugsamen Kommunalverwalterinnen und Verwaltern geführtes Rathaus zwischen Magdeburg und Stendal bietet alle OZG Leistungen in ihrem digitalen Rathaus an. Und sie hören nicht auf, den Medienbrüchen in ihren Prozessen Widerstand zu leisten. Und das Leben ist nicht leicht für Faxgeräte, Drucker und Frankiermaschinen, die als Besatzung in den umliegenden Rathäusern liegen. Ob es sich in Tangerhütte wirklich so anfühlt wie in dem kleinen gallischen Dorf oder ob hinter der Umsetzung des OZGs in Tangerhütte einfach nur eine harte und zielgerichtete Arbeit steckt, das möchte ich von Andreas Brohm wissen. Er ist Bürgermeister der Kleinstadt Tangerhütte in Sachsen-Anhalt und der Treiber, hinter dieser kleinen Erfolgsgeschichte einer digitalen Kommunalverwaltung. Darum freue ich mich, dass er heute mein Gast ist. 
Hallo Herr Brohm, ich grüße Sie. 
 
[Andreas Brohm]
Ich grüße Sie auch. 
 
[Felix Schmitt]
Herr Brohm, Tangerhütte ist eine Kleinstadt liegt irgendwo zwischen Stendal und Magdeburg in Sachsen-Anhalt. Ich glaube, man würde ihnen wahrscheinlich nicht auf die Füße treten, wenn man sagt, das ist jetzt keine Metropole und trotzdem macht Tangerhütte eine Sache in Deutschland ziemlich bemerkenswert, denn Sie haben das Online-Zugangsgesetz zeitgemäß umgesetzt. Warum? [Andreas Brohm]
Weil wir’s wollten. Nein, weil wir uns ziemlich lange schon auf den Weg gemacht haben zu überlegen, wie ist es eigentlich oder wie gibt’s eine ganzheitliche Lösung, die den den Nutzer, unseren Kunden, unseren Bürgerinnen und Bürgern mitnehmen, aber vor allen Dingen auch die das vom Backend, also von der Sichtweise, wie können wir denn Mitarbeiter mitnehmen? Und wie können wir Prozesse am Ende so verschlanken? Sie haben’s ja schon angedeutet, wir sind jetzt nicht äh wir sind eher ländlich und strukturschwach, insofern müssen wir uns überlegen, wie weniger Menschen gleich vieles oder im Zweifel sogar mehr schaffen könnten und dazu ist das eine wichtige Grundvoraussetzung.
[Felix Schmitt]
Sie haben das Ganze über eine Eigenentwicklung, haben Sie ja gerade auch schon mal so ein bisschen angedeutet, auch umgesetzt, das digitale Rathaus. Was kann man sich denn als Auswärtiger beim digitalen Rathaus in Tangerhütte vorstellen? Wie funktioniert das bei Ihnen? 
 
[Andreas Brohm]
Der Logik liegt zugrunde, dass es wie ein Kundenkonto bei seinem Energieversorger, bei seiner online Einkaufsplattform oder bei seiner Bank funktioniert. Das heißt, wir versuchen relativ niederschwellig reinzukommen. Also wir haben eine App programmiert, da fängt’s schon an. Und das wird dann natürlich relevante Leistungen. Also was sind relevante ich sage mal, auch kundenorientierte Leistung für unseren Kunden. Das ist schon nicht ganz leicht, also da eine Relevanz zu zielen und das versuchen wir halt auch übers OZG hinaus einzubinden, sodass wir, ich sag mal mindestens wöchentlich, aber eigentlich wollen wir täglich relevant sein und deswegen gibt’s halt wie so ein Baukasten. Es gibt Dienstleistungen, die einen sind OZG, die anderen sind, ich sage mal, integrierte Dienstleistungen, kommunale Dienstleistungen nennen wir’s, Termine kann man buchen, und so. Man kann sich einfach mal äh ich habe hier mal eine doofe Frage, gibt’s ja nicht, aber ich kann mich mal niederschwellig an die Verwaltung wenden. Ich kann auch sagen, hier guckt euch das mal an, die Bushaltestelle ist kaputt oder was auch immer, ein Foto hochladen, also relativ niederschwellig, kann man mal eben nebenbei machen, aber auch Terminbuchungen machen oder man bekommt halt regelmäßig die Infos ausm Rathaus, also so ein multi Kundenpaket, was wir da spüren wollten und auch aus der Blickwinkel, aus dem, wir das da gestaltet haben. [Felix Schmitt]
Und wie weit sind Sie da bei der technischen Umsetzung gekommen? Also haben Sie zum Beispiel auch schon Authentifizierungsmöglichkeiten auf der Plattform integriert und kann man auch schon online bei Ihnen mögliche Verwaltungsgelder auch schon bezahlen? Also ist auch sind auch diese Basisfunktion bei ihnen schon integriert?
[Andreas Brohm] Also wir liegen in den letzten Zügen, dass wir auch payment integrieren. Es ist im Grunde ja, also implementieren wir in den nächsten Wochen. Ansonsten die Authentifizierung also gibt’s jetzt also von der Bundes-ID, die haben wir letztes Jahr noch angeschlossen. Das ist ja so immer auch so, ne, wie können wir da das auch mit anderen Schnittstellen vertiefen. Das war uns wichtig. Es gibt auch vidime, das ist so eine eigene Erfindung unseres Dienstleisters. Quasi eine Zwei-Wege-Authentifizierung, wo man sich einfach, also gibt’s auch andere marktübliche Sachen, die würden auch alle funktionieren. Ziel ist immer, zwei Wege authentifizierung mit SMS. Das ist im ländlichen Raum bisschen schwierig. Deswegen ist bei uns der Fingerprint auch entstanden. Also insofern, da sind wir, glaube ich, State of the Art Der Nutzer kann sich aussuchen, was was zu ihm passt. Das ist ja also wie gesagt, wir haben’s so aus einer Kundenorientierung heraus uns überlegt, wie man niederschwellig an so an Verwaltungsleistungen interessiert hat, äh ist.
[Felix Schmitt] Sie haben gerade den den Fingerprint erwähnt, was kann ich mir dadrunter vorstellen? [Andreas Brohm]
Na ja, ich persönlich zum Beispiel kann mir nicht tausend Passwörter merken und dann finde ich’s toll, wenn ich es einmal einrichte und ich lege den Fingerprint drauf und zack, bin in meinem Verwaltungskonto oder digitalen Rathaus, nennen wir’s ja, drin und kann gucken, was ich als letztes gemacht habe, was ich da beantragt habe oder welche Anfrage ich gestellt habe oder ob ich meine Infos, die ich meine Abos, die ich habe mit der Verwaltung, ob ich die verändern will oder ob die was Neues haben, was ich jetzt auch noch wissen will und so. Ich bin halt in meinem Konto drin ohne dass ich nochmal irgendwas eintippen muss, also was bei allen anderen Sachen, die man so täglich vielleicht benutzt ähnlich ist.  [Felix Schmitt]
Sie haben gesagt, Sie haben das sehr stark versucht auch aus Sicht der Nutzerinnen, Nutzer, aus Sicht der Bürgerinnen und Bürger auch zu entwickeln. Haben Sie denn Feedback bereits von den äh von den Menschen aus Tangerhütte auch schon bekommen, wie sie mit dem digitalen Rathaus auch umgehen, also kommt es an bei ihnen? [Andreas Brohm]
Ja wir sehen’s ja jetzt von der Benutzungshäufigkeit und insofern also ich sage mal, wir haben jetzt grad mal geguckt, also wir haben statistisch das Jahr, also der Monat ist noch nicht vorbei, aber wir haben mindestens ein bis zwei digitale Kommunikationen pro Tag, also über nicht nur fünf Tage, sondern sieben Tage Woche im Monat und das ist, wir haben über 3.600 Kunden im im Portal. Insofern ist das eine ist ja, es ist ja ein zusätzlicher Kanal. Es wird ja nicht mehr, was die Kunden deswegen fragen. Also wir sind ja jetzt nicht ein Gebrauchtwarenladen, der irgendwas mehr verkaufen will, Umsatz steigern muss oder so etwas, sondern es geht ja darum noch eine weitere Möglichkeit der Kommunikation herzustellen. Und da denke ich, also wie gesagt wir sind auch schon zwei Jahre im Geschäft wenn man so will. Und insofern ist das schon ein längerer Prozess, wo wir uns halt viel auch mit einem Kunden ausgetauscht haben oder Schrift zu groß, zu klein, blödes Layout oder irgendwie sowas und da haben wir vieles abgearbeitet, uns angenommen und da auch Veränderungen erzielt und sehen einfach, es wird einfach genutzt, eine Relevanz mittlerweile.
[Felix Schmitt]
Sie hatten grade 3600 Konten bei ihnen auch angesprochen. Sind das alles Bürgerinnen und Bürger oder sind da auch Unternehmen? Die bei ihnen eigene Konten anlegen können und das auch getan haben? [Andreas Brohm]
Ja im Moment ist es ja erstmal Privatperson oder dann der Unternehmer persönlich, der das dann anmeldet aber sind auch sicherlich, man muss ja nicht Bürger der Kommune sein, um sich hier anzumelden und insofern sind sie sicherlich auch noch ich sage mal Fremde dort drinnen, aber wie gesagt, das ist schon ein ordentlicher Besatz. 
[Felix Schmitt]
Ich wollte grad sagen, weil selbst wenn da noch ortsfremde sich angemeldet haben, so klassischerweise redet man bei den aktuellen Authentifizierungssystemen von Durchdringungsgrad in einstelligen Prozentbereichen, da sind sie ja offensichtlich ganz weit oben drüber.
[Andreas Brohm]
Ja, also aber es zeigt vielleicht eher, wie ja wie organisch das vielleicht auch funktioniert. Also das einfach der Weg, wie wir den Kunden finden und suchen, dass das dass das einfach ansprechend ist. 
 
[Felix Schmitt]
Jetzt sind Sie fast am Ende der Erstellung eines fertigen Systems, wenn ich mal so sagen kann. Klar, IT ist natürlich nie fertig, aber die einzelnen Dienstleistungen sind dann jetzt bald auch alle da und OZG Leistungen ja schon auch jetzt. Da interessiert mich jetzt aber nochmal ganz die erste Frage, die ich vorhin auch gestellt hatte. Warum haben sie das gemacht, denn klassischerweise kommuniziert man ja heute auch Richtung Kommunen, wartet mal ab, das meiste kommt ja noch zu euch. In den verschiedenen Shops zur Nachnutzung von von OZG Leistungen liegen ja auch nur eine Handvoll von Dienstleistungen, die man selber auch nutzen kann, entsprechend sind viele Kommunen ja noch gar nicht tätig geworden. Wie unterscheiden Sie sich von diesen Kommunen? Also was war sozusagen diese Begründung vor zwei, drei Jahren, dass Sie gesagt haben, so wir machen das jetzt auf eigene Faust und wir machen’s richtig. [Andreas Brohm]
Also die Grundvoraussetzung war, dass wir erstmal organisatorisch aufgestellt waren. Also wir brauchen einfach einen Mitarbeiter, der sich darum kümmert, da haben wir die Wirtschaftsförderung quasi nicht neu besetzt, sondern sind in das Organisationsthema gegangen. Das Zweite ist, dass wir einen Dienstleister haben, der das gleiche Problem gesehen hat wie wir. Der kommt aus medizinischen Bereich, die hier aus der Region, aus der Nachbarstadt wo wir einfach einen Partner gefunden hat, der mit uns was ausprobieren wollte. Ich glaube, hätten wir das bezahlen müssen oder ausschreiben müssen, was da irgendwie der Horror für alle wäre, dann sehe das anders aus. Insofern hatten wir, und das wollen wir einfach so leichtfüßig sagen, bock etwas zu entwickeln und uns ging’s darum, um etwas Ganzheitliches. Also ich sage mal, man kann sich die, was weiß ich, insgesamt X-tausend digitalen Leistungen, kann man sich einkaufen, aber dann habe ich die da zu liegen und es ging halt um eine ganzheitliche Lösung vom Frontend über eine Bearbeitung ins Backend und wieder zurück, ja? Also bis zum Datenmanagementsystem, also wie sieht eigentlich so der digitale Fluss von Verwaltungsarbeit aus. Das ist das eine, dann reden wir über OZG. Ich glaube, dieses digitale Rathaus ist nie fertig, weil wir also weil wir natürlich beim Überlegen noch in ganz viele andere Bereiche vorgestoßen sind, also sowohl auch sagen, ah stimmt, das geht da. Also ne, also wer will unsere Mitarbeiter kriegen in ihr digitales Konto, was sie mit der Verwaltung haben, ihre Lohnabrechnung. Ist eine Idee von den Mitarbeitern. Also mittlerweile machen wir vieles andere e-Post und was da alles dranhängt, also dass wir auch darüber Schnittstellen mit der Post haben und was und das Massengeschäft rausschicken können. Also bis zu dem, dass wir eigentlich buchen wollen. Also wir haben noch viele Ideen auch, ja, wo man wir wollen Dorfgemeinschaftshäuser  buchen übers digitale Rathaus. Dann habe ich hier für meine Hochzeit oder für meinen 60. Geburtstag ein Haus gemietet. Bis zu dem dass Verdienstausweise, Feuerwehrdienstausweis, Mitarbeiter-Dienstausweis quasi ins Wallet legen und sagen, hier. Weil da hängen bei uns zum Beispiel dann auch Nutzungs oder Ermäßigung im Freibad dran. Also im Grunde, Ziel ist es, etwas Adressaten orientiertes zu machen, was aus der Kommune ist. Wir haben festgestellt, dass alle auf Verwaltungsebenen über uns nicht wissen, wie Kommune funktioniert und ich glaube auch dass wir ja in der Logik, in der Ganzheitlichkeit, auch in, ich sage mal, in der digitalen Teilhabe, weil es natürlich ein Stück auch mitnehmen ist.  Ach geht das so einfach? Ja, es ist ganz einfach und das ist auch keine Frage vom Alter ist oder so etwas, sondern eher von ist man aufgeschlossen neuen Techniken gegenüber und da sehen wir uns eigentlich so an der Spitze, wo wir sagen, dass das also wir können auch vieles niederschwelliger zur Verfügung stellen. Allein wenn Sie überlegen, also um ins Rathaus zu kommen, müssen manche Einwohner 20, 30 Minuten im Auto oder im Bus, der zweimal am Tag fährt, sitzen. Also sie können damit die Geografie überwinden. Sie sitzen schön am Küchentisch, kann der Nachbar oder der Enkel erklären und sie kriegen Lösungen hin. Also, insofern da liegt so viel. Und das wollten wir halt selber definieren. Am Ende sonst immer, ja dann haben sie so einen Gemischtwarenladen und das heißt dann, und den Rest darf die Kommune in ihrer Hoheit selber organisieren. Ja, aber mit vorgefertigten Sachen und deswegen wollten wir das entgegenwirken und sagen, nee, wir legen mal selber fest, was wir brauchen. Womit wir auch umgehen können. Man darf nicht vergessen, die Dienstleister, wir haben jetzt über 100 Dienste da geschrieben, die haben wir selber geschrieben. Also da ruft der Dienstleister an also wie habt ihr das eigentlich gemacht? Also wir brauchen Baukastensystem und das finde ich auch eine schöne Idee das ist ja ne dieses alte Bild es muss nicht für uns jemand angeln aber wenn wir uns beigebracht hat wie man angelt dann können wir halt selber fischen. Und das finde ich halt schön und das bringt auch kleine Kommunen, weil ich sage mal, die Größe ist wie bei anderen Sachen, die ich das Ausschlaggebende, sondern sind anscheinend sind Menschen, die bei uns dabei sind und das haben wir halt gut hingekriegt. Also auch im Team, ja, also wenn nicht Mitarbeiter da sind, die da Bock drauf haben, die das tragen und die da auch einen Mehrwert für die tägliche Arbeit sehen, dann wird es auch nicht gelingen.
[Felix Schmitt] Also sie haben gerade die Qualifizierung ihrer Beschäftigten ja auch angesprochen. Haben das, wenn wir jetzt zum Beispiel über einzelne OZG Leistungen sprechen die dann auch erstellt wurden, wie haben sie das denn geschafft die die Beschäftigten über so die ein, zwei Leute, die Sie vielleicht mit so einem direkten IT-Zug auch haben, wie haben Sie’s denn geschafft, die da erstens für zu begeistern, da mitzumachen und zweitens zu qualifizieren, dass Sie selber in der Lage sind, solche Dienste zu entwickeln? [Andreas Brohm]
Sie fangen ja erstmal an sich, also wir haben als wir angefangen haben, haben wir überlegt, was ist eine relevante Leistung, wo der Kunde bereit wäre, sich ein Konto anzulegen und das auch digital nachzufragen? Dann kam Corona dazwischen und es waren andere Leistungen spannender oder ich sage mal kundenfreundlicher, wenn sie eine Erstattung von Kita-Beiträgen haben. Das kriegen sie dann schnell erklärt und das heißt, wir haben unter dieser Maßgabe, haben wir einfach Mitarbeiter zusammen in einen Raum gesetzt, wo man Mensch hier können wir das digitalisieren, das das braucht es. Sie brauchen quasi einen Koordinierer und der Mitarbeiter, der diesen gedanklich diesen Weg mitgibt und dann dürfen auch Mitarbeiter den Raum verlassen und sagen, nee, das oh nee, bin ich nicht dabei. Und dann haben wir eine Situation kreiert, wo dann Mitarbeiter eher beleidigt waren, zu sagen „ach so, ich werde nicht gefragt. Ich hätte aber auch was Leichtes, was man machen könnte“. Und das einfach ohne Druck und eher eher mit der Zielvorstellung, wir erleichtern uns da etwas, weil es gibt viele Prozesse, ja da ist viel Schreibkram, aber ist wenig dahinter und das kann man, ne, auch auch wir bedienen uns ja. Wenn Sie ein Kundenkonto haben, hat der Kunde schon mal seine Daten selber eingetragen. Also man darf nicht vergessen, wir machen das nicht uneigennützig, sondern wollen Arbeit steuern. So machen, dass wir dass wir sie irgendwie gleichbleibend abarbeiten können und dass wir dass wir Spitzen vermeiden. Also ne, wir versuchen da eine Verwaltungsökonomie hinzukriegen und das möglichst also Adressatenorientiert, sodass man den Eindruck hat, Mensch, das ist ja wie ich sage mal wie das Bank-App oder Amazon oder andere Dienstleistungen, die wir ja auch intuitiv nutzen.
[Felix Schmitt]
Also sie haben gerade gesagt, sie wollen auch so ein bisschen Spitzen abfedern, mal die Arbeit in der Verwaltung, in Zeiten von massivem Fachkräftemangel, der ja auch den öffentlichen Dienst trifft, auch ein bisschen abfedern. Das heißt, beim OZG aber natürlich auch, dass die eingehenden Anträge jetzt nicht von der Poststelle wieder ausgedruckt werden, sondern möglichst Medienbruch-frei auch weiter bearbeitet werden können. Wie sind sie denn damit umgegangen? Welchen Weg haben sie denn da gewählt?
[Andreas Brohm]
Das ist ja im Grunde der Ansatz, ja, also alles, was digital reinköpft wird auch digital im Vorgangsraum bearbeitet, bekommt jetzt in den nächsten Wochen und Monaten auch nochmal die Rückspiegelung dann ins DMS, dass wir quasi wirklich, also dass wir das ist alles medienbruchfreier Kanal, woran wir noch arbeiten und da ist das Land dann wirklich gefordert. Es gibt natürlich Fachverfahren, die dann ihre eigenen Bescheide ausspucken sozusagen und die brauchen natürlich eine Schnittstelle und das muss man zentral machen, gibt viele Fachverfahren, die wir alle zentral benutzen. Da braucht man, wieder Thema Standards, da ist man übergeordnet noch anders unterwegs. Aber das ist das Ziel. Also mit ausdrucken ist nicht. Also das muss einmal durchs System gehen, hinterlegen und gern legen wir’s auch dem Kunden wieder ins digitale Rathaus, aber wir müssen nicht irgendwie nur damit da irgendwie jeder irgendwie einen Füller benutzen muss. Das muss alles nicht sein. Auch da, glaube ich, brauchen wir noch mal so ein bisschen Schwarm-Aktionismus, dass wir uns von bestimmten Prozessen auch verabschieden, weil wir glauben so wie sie aktuell laufen, sind sie sicherer als andere. Ich glaube da haben wir uns vor vielen Sachen schon getrennt und gesagt ist eigentlich alles auch plausibel und ähm ja. [Felix Schmitt]
Wie hat sich denn dadurch vielleicht doch das Arbeiten von den Kolleginnen und Kollegen verändert? Haben die das mitbekommen, dass zum Beispiel Prozesse jetzt anders laufen, vielleicht auch eigene Ideen entwickeln, wie man Prozesse anders gestalten kann oder ist das ein Prozess, der ihnen noch bevorsteht? [Andreas Brohm]
Wir haben den Prozess ja also in der Organisationsuntersuchung, die glaube ich siebzehn, achtzehn, neunzehn lief, haben wir das lange vorbereitet auch. Nein, sie müssen es anders aufstellen, weniger hierarch, eher intim. Sie müssen ja auch sicherstellen, dass es quasi also mit Mitarbeitern läuft, die gerade nicht da sind und dann nicht an einem hängt. Aktuell sind die Mitarbeiter auch gar nicht immer an einem Ort. Der eine ist im Homeoffice, der andere hier und da brauchen Sie einfach, müssen Sie’s anders strukturieren sodass immer klar ist, wer ist jetzt eigentlich gerade zuständig egal wo er sitzt und wie kriegen wir eine – also weil wenn der Kunde digital sowas anfragt oder online, dann erwartet er natürlich auch, dass es irgendwie schneller geht oder zumindest zeitnah funktioniert, also kann das nicht drei Tage rumliegen, sondern es muss auch abgearbeitet werden und dieser Prozess, den müssen Sie mit allen durchdenken. Aber man darf wie gesagt, aber wir haben von vornherein alle mitgenommen und das was auch klar ist, dass wir natürlich auch schauen, dass es leichter wird für alle. Also dass weniger Arbeit anfällt, das ist glaube ich die Bedingung, die wir daran knüpfen also und es wird leichter und transparenter und dass wir natürlich da auch schneller sind, um Dinge dann wirklich wegzuschaffen und wieder die nächste Arbeit in den Blickwinkel zu nehmen. [Felix Schmitt]
Wollen Sie denn diesen Schritt auch zukünftig noch weitergehen, also Stichworte, die da ja noch ganz automatisch, glaube ich, in den Sinn kommen, ist Automatisierung von Bescheiderstellung oder automatisierter Versand von von Urkunden, falls so etwas angefragt ist, um hier sozusagen die Verwaltung noch ein Stück weit auch leichter bedienbar zu machen durch die Beschäftigten oder ist das für eine Kommune mit knapp 11.000 Einwohnern wie Tangerhütte dann sozusagen der eine Tacken zu viel oder sagen sie, da gehen wir auch ran. Das ist einer unserer nächsten Schritte. [Andreas Brohm]
Ich sage mal mit der Implementierung von Payment wird das möglich sein, ja? Also dann können Sie, hier ich brauche eine Geburtsurkunde und dann kriegen wir Geld gegen Urkunde und dann wird die verschickt und fertig. Also nein, also. Da gibt’s grade auch Massengeschäfte ist auch für uns interessant. Also zweieinhalbtausend Bescheide hier am Drucker auszudrucken und wegzuschicken, also haben wir abgeschafft. Das machen wir jetzt anders. Das ist auch toll, da einfach Druckaufträge auszulösen und irgendwo in diesem Land in einem Druckzentrum, werden die ausgedruckt und dann gleich kuvertiert und der Kunde hat sie in der Post. Wie sagt das woran wir eher dann arbeiten ist und dass unsere Technik könnte das ne, wenn sie ein Konto haben, würde der Drucker entscheiden, ah hier guck mal Herr Schmidt, der hat ja ein digitales Rathaus, der will das gar nicht per Post, der kriegt das in sein digitales Rathaus, da macht’s pling sie haben einen, sie haben Post von der von der Kommune und da machen sie’s auf. Also das ist eher so die Bilder, indem wir sind, wo wir hinkommen wollen. Als wie gesagt das Postzustellungsgesetz hindert uns noch ein bisschen so zu arbeiten.
[Felix Schmitt] Ich weiß es es ist falsch, aber es klingt alles immer so, wenn Sie das so erzählen. Es war einfach. Sie haben das einfach gemacht. Trotzdem steckt da natürlich eine ganze Menge auch an an Arbeit und Hirnschmalz ja auch hinten dran. Aber vielleicht mal so ein kleiner Blick auch in die Zukunft, wo sehen sie denn zukünftig Herausforderungen, die wieder so den den gleichen Elan erfordern, den sie jetzt in den letzten Jahren angelegt haben. Was sind denn so die großen Schritte, bei denen sie noch nicht wissen, wie sie das vielleicht noch lösen können. [Andreas Brohm]
Also ich sage mal, wir wir sind gestartet mit so einer Leitidee, dass wir alle Leistungen, die der Staat erbringt, das ist wie so ein ja, also ich nenn’s nur mal Zentrum Warenhaus, wie ein großes Shoppingcenter und sie haben eine Tür, da gehen sie rein. Und dann können Sie sich aussuchen, was Sie brauchen und das ist der BAföG-Antrag dann in unserer Welt oder die KFZ-Zulassung. Da sind wir oder da sehe ich die größten Herausforderungen, dass es grundsätzlich daran fehlt, dass wir kein Big Picture haben. Also niemand hat definiert also der Bund hat das jetzt ja mit seinem Digitalen Ausweis definiert, aber keiner nutzt dies oder es ist so schwierig, dass es einfach nicht nutzerfreundlich ist. Auch wenn die Idee dahinter toll ist oder was man damit machen kann und da hat jeder so seine Welt erfunden. Die Länder, der Bund, die Kreisverwaltung und letztendlich dann auch wir. Und da sehe ich die größte Herausforderung, wie wir das irgendwie auf die Strecke kriegen, dass wir da jeder, ja, dass wir das miteinander vernetzen, sodass der Kunde nicht überlegen muss, wer ist denn eigentlich zuständig, ja? Und da erlebe ich erst, ne so ich sage mal so in ist jetzt übertrieben nebenbei, aber ist auch entstanden Wohngeldantrag der Landkreis wendet sich an uns und sagt „oh wir schaffen das nicht, wir brauchen noch mehr Mitarbeiter“, wo ich denke so wieso waren wir nicht in der Lage, vor zwei Monaten unsere Anfrage positiv zu gestalten und sagen, ja lass uns mal gucken, wie wir das machen. Also wir sind da und das ist glaube ich auch noch die größte Herausforderung. Wir müssen Verwaltung anders denken. Und ich erlebe eher, dass wir sie so denken das ist eine gesetzliche Anforderung, die machen wir so und so und niemand denkt es ganzheitlich, also wie tickt der Kunde, wie kriege ich die Mitarbeiter? Nehmen die das als Bedrohung, als Bereicherung? Und da muss man viel mehr quasi wirklich in großen Bildern denken, damit wir da Synergien, weil ich glaube, es liegt große Möglichkeit da drinnen wirklich Mitarbeiter einzusparen und nicht dass irgendwer seinen Job verliert, sondern dass wir auch in Zukunft noch in der Lage sind, Verwaltung abzusichern. Weil wenn wir das nicht mehr machen, dann kann man auch hinter Demokratie ein Fragezeichen machen, weil wenn das nicht mehr verlässlich ist, wird’s schwierig und da müssen wir uns einfach dann Prozesse komplett neu denken und das ist glaube ich so die größte Herausforderung. [Felix Schmitt]
Sie sind ja jetzt nicht mehr, nicht nur sozusagen der IT-Beauftragte der der Kommune, sondern sie sind ja der Bürgermeister und sie haben ja auch immer, sie hatten vorhin auch das Big Picture erwähnt. Ich würde da gerne nochmal von Ihnen vielleicht erfahren, wo sehen Sie denn das Thema digitale Transformation jetzt sowohl Verwaltungsdigitalisierung, aber auch dadrüber hinaus, wo sehen sie das als ähm als Werkzeug in einer Kleinstadt, die wie jetzt Tangerhütte in den letzten Jahren ja auch Einwohnerinnen, Einwohner verloren hat, also auch in einem Transformationsprozess so ein bisschen steckt, wo sehen sie dieses Thema, also spielt es auch für die Zukunft der Kommune insgesamt eine Rolle oder sehen sie das Thema Digitalisierung rein mit mit Verwaltungsbezug? Was sagt denn der Bürgermeister Brohm an der Stelle? 
 
[Andreas Brohm]
Vielleicht nochmal eingeschoben, also Digitalisierung der Verwaltung ist, also IT ist, ne, das ist Organisationsthema. Ich glaube, das ist auch noch so, dass wir oder gemeinhin halte ich das für das unterschätzte Feld. Dass wir eigentlich in der Verwaltung diese Organisation in Strukturen denken, nicht mehr in Silos, vernetzt, Projektmanagement, dass das eine große Herausforderung ist für alle vier Ebenen, die wir in Deutschland haben und dass wir da noch mehr Beweglichkeit brauchen. Digitalisierung grundsätzlich, ich meine wir haben in Schulen haben wir ich glaube wir haben über 200 Tablets in Grundschulen installiert über die Kommune, ist ja unsere Zuständigkeit. Wir haben da digitale Tafeln. Wir haben ich sage mal die die Gremienarbeit funktioniert auch noch über Tablets. Also es gibt große Erleichterung daran. Wir sind eine Region, ich glaube es ist nirgendswo leichter digital unterwegs zu sein als woanders, weil wir Glasfaserhausanschlüsse haben werden, flächendeckende. Sogar das Thema nimmt oder die Möglichkeiten sind da. Auch das Thema digitales Arbeiten und ländlicher Raum wird zunehmen. Homeoffice ist das Thema der Zeit und insofern sehe ich das schon, je nachdem, wie wir’s denken und wie – Wie gesagt, wie kundenfreundlich unsere Lösungen sind wird das dazu führen, ich sage mal Digitalisierung oder digitale Prozesse können quasi Nachteile aufgrund der Geografie überwinden. Also davon bin ich fest überzeugt.
[Felix Schmitt] Vielleicht ein Blick in die Zukunft zum Abschluss hin. Wo sehen Sie denn Tangerhütte insgesamt als Kommune in sagen wir mal zehn Jahren an dieser Stelle, 20, dreiunddreißig. Wie lebt man dann in Tangerhütte, was ändert sich für die Bürgerinnen und Bürger in der Art und Weise, wie sie den Staat wahrnehmen, wie sie vielleicht auch arbeiten können und welche Rolle sehen sie da für sich als Bürgermeister auch in so einem Transformationsprozess? [Andreas Brohm]
Das ist unheimlich schwierig, weil natürlich, wenn wir überlegen, was in den letzten zehn Jahren passiert ist, weiß ich nicht, ob wir das was wir heute leben, so erwartet hätten aber in so einer Lightversion sehe ich ein völlig anderes Rathaus, ja, in dem wie gesagt, das könnte ein Coworking Space sein, wo Mitarbeiter da sind und Kunden helfen sich digital durchs Programm zu arbeiten. Oder man, wie gesagt, terminorientiert, projektorientiert ins Rathaus kommt und dann seinen Ansprechpartner findet und dass wir in vielen Bereichen  das mit digitalen Unterstützungs-Modulen machen. Wie gesagt, wir sind eine große Flächenkommune. Da sind es viele Herausforderungen mit vielen Liegenschaften, mit vielen Unterhaltungssachen und auch da wäre ja schön, wenn Digitalisierung uns hilft und spätestens wenn am Montagmorgen irgendeiner digital mitgeteilt wird, dass eine Lampe kaputt ist oder irgendwo eine Heizung spinnt. Da würde uns das das Leben sehr sehr viel erleichtern, weil wir müssen davon ausgehen, dass wir wahrscheinlich mehr mit weniger Personal schaffen müssen. [Felix Schmitt] Alles klar, vielen Dank Herr Brohm. Auch für den für den Ausblick an der Stelle. Es ist ja wirklich ein eine spannende Geschichte, die sie ja auch erzählen konnten. In der Tat ziemlich einmalig in Deutschland. Da können sie mit Sicherheit auch ein bisschen stolz drauf sein, was sie da auch erreicht haben, dass sie das mit uns geteilt haben. Vielen Dank an dieser Stelle und viel Erfolg für die Zukunft.
[Andreas Brohm] Ich danke Ihnen. 
 
[Felix Schmitt]
So, das war’s für heute. Vielen Dank, dass du dabei warst und bis zum nächsten Mal.